10 Fragen an Julia Dörrbecker

Portrait von Julia Dörrbecker

1. Kannst Du dich erinnern, wann du zum ersten Mal erzählt hast?

In der Grundschule. Ich hatte schon immer eine blühende Phantasie und hab Figuren erfunden, die ich dann selber gespielt habe. Bis ich 10 Jahre alt war, war meine Welt ein einziges großes Live-Rollenspiel ;-). Ich habe neben meinen sichtbaren Freunden auch jede Menge unsichtbare gehabt, von denen hab ich dann immer mal erzählt. Und geschrieben hab ich viel, meistens ehr gruselige Geschichten. Aber wirklich „erzählt“, im geplanten Sinne, habe ich zum ersten Mal 2008, als ich im Kindergarten meiner Tochter den Vorlesepaten gegeben hab, dann aber ungeplant, ohne Buch „Fischer und sinne Fru“ erzählt habe. Plötzlich hörten auch die Zappelfritzen zu, und ich war  sozusagen „angefixt“ ;-).

2. Wie bist du zur Goldmund-Erzählerin geworden?

Nach besagtem Erlebnis fing ich sofort an, zu forschen, wie man dieses Erzählen handwerklich gut machen könnte und bin auf alle möglichen Schulen gestoßen. Goldmund sprach mich an, weil es nicht so beschränkt auf „Märchen“ daher kam und auch keine therapeutischen Ansätze verfolgte. Aber noch ging gar nichts, ich hatte gerade Zwillinge bekommen und konnte unmöglich auf Lehrgänge verschwinden. Da stieß ich auf einen Kurs von Walburga Kliem und beschäftigte mich erst einmal online mit der Materie. Walburga schaffte es, mich vollends zu begeistern, und so landete ich dann nach einiger Zeit in meinem ersten Lehrgang bei Goldmund. 2012 hatte ich dann meine Zertifizierung.

 

3. Wo erzählst du am liebsten?

Grins.....also, leichter kann ich beantworten, wo ich NICHT gerne erzähle: Auf Festen, die draußen stattfinden und noch jede Menge Halligalli um mich rum stattfindet. Die Akustik ist mies, man muss so laut reden und wenn man Pech hat macht irgendein Sängerknabe nebenan Alleinunterhaltermusik mit deutschen Texten und lenkt einen ab.  Ansonsten kann ich mich gut anpassen an das was eben dran ist. Ich erzähle sehr gerne auf Bühnen für Erwachsene, moderiere auch mal die ein oder andere Veranstaltung. Ich mag aber auch Kinderfeste oder „Walking act“ mit Klappmaulpuppe ist sehr amüsant.

 

4. Wie bringt man dich aus der Fassung?

Mittlerweile wird es schwieriger, mich aus der Fassung zu bringen ;-).... Es gibt ein bis zwei Menschen, die mich aus der Fassung bringen könnten. Situationen hatte ich im letzten halben Jahr zwei, die ich spannend fand. Die erste war bei einer Weihnachtsfeier eines Angelvereins. Ich war gebucht für eine Erwachsenenveranstaltung, Themenvorgabe war „Angeln/Fischerei“...OK, also unter Anderem  „Die Skelettfrau“ im Gepäck und ein paar heftigere Geschichten....Angeln = Männerrunde.- KLAR! Und dann komme ich da an und es sind dann...huch.... leider in diesem Jahr einige Kinder gekommen.- Also schnell improvisiert und das Programm etwas familientauglicher gemacht. Nach der vierten Geschichte mault aus dem Publikum eine Dame, ob ich jetzt nicht endlich mal was Besinnliches erzählen könnte, ich solle ja mal nicht vergessen, dass Weihnachten das Fest der Liebe sei. Da hatte ich kurzfristig das starke Bedürfnis, sofort mit etwas zu werfen, oder wegzulaufen ;-) . Mein zweites Erlebnis war kürzlich in einem Kino. Ich durfte im großen Kinosaal für Kinder erzählen, grad brüllte ein Monster, da ging die automatische Beschallung mit sphärischen Klängen und romantischen Geigen an und die Leinwand wurde in Rosa getaucht. Gott sei dank hatte ich grade meine Klappmaulpuppe Pip in Aktion, die kommt mit sowas echt gut zurecht :-) 

 

5. Es war einmal... deine allererste Erzählung.

Für Kinder war es der „Fischer und seine Frau“  und für Erwachsene habe ich von Joan Aiken „Er“  erzählt. Das ist eine sehr grausige und makabere Geschichte, die auf einem Auswandererschiff spielt.

 

6. Dein Tipp für das erste Mal?

Such dir eine Geschichte aus, die Du liebst und such nicht nach der perfekten Geschichte, sonst fängst Du vielleicht gar nicht an, zu erzählen. Such Dir ein wohlwollendes Publikum, also Menschen die ehrlich sind, aber dich nicht sezieren wie Reich Ranicki ;-)

 

7. Wo findest du deine Geschichten?

Ganz viele natürlich in Büchern, aber ich höre eigentlich am liebsten Geschichten von anderen Erzählern. Da kann ich Youtube nur preisen, was habe ich da für tolle Erzähler erlebt. Großartig!

 

8. Dein schönstes Erzählerlebnis.

Ich habe inzwischen so viele wunderbare Erinnerungen, dass ich jetzt gar nicht DAS schönste Erlebnis auswählen könnte. Vielleicht kann ich die Art der besonderen Momente beschreiben, die ich so liebe. Der Moment, in dem sich das Erzählen verselbständigt, wo ich nicht mehr am Plot kleb und denke, sondern wo sich die Geschichte durch mich erzählt und ich spontan mit dem Publikum in Interaktion gehe und ich in den Augen der Menschen sehe, dass ich ihnen grade etwas geschenkt habe und sie mir genau dieses Gefühl zurück schenken. Oder beim Klappmaulpuppenspiel, der Moment wo die Puppe das Ruder übernimmt, ich unsichtbar werde und sie Dinge raushaut, die ich mir nie erlauben würde ;-).

 

 

9. Wie bereitest du dich vor?

Ich zeichne mir oft eine Mindmap zur Geschichte und dann trag ich sie im Kopf mit mir spazieren und arbeite beim Autofahren, unter der Dusche, oder beim Brötchen holen daran. Wenn sie steht, dann erzähle ich sie durch und gucke, ob sie sich rund anfühlt. Meistens tue ich das im Stehen, weil ich festgestellt habe, dass ich so besser die Haltung der jeweiligen Charaktere einnehmen kann, außerdem gestikuliere ich naturgemäß viel, das geht nicht so gut, wenn man auf dem Sofa lümmelt.

 

10. Was sind deine Pläne für die nächste Zukunft?

Ganz klar meine weitere Ausbildung zum Puppenspieler und einen Puppenbaukurs wünsche ich mir wie doll. Ansonsten stehen dieses Jahr noch ein paar größere Sachen bereits fest. Im Sommer begleite ich eine Märchenballettshow als Erzählerin, bei den Kasseler Märchentagen bin ich dabei mit orientalischen Geschichten und die Orientalische Tanzshow in Cassalla- Theater darf ich wieder moderieren und mit Geschichten garnieren. 

 

Julia Dörrbecker

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